Emissionsreduktionen in der Modeindustrie: Herausforderungen, Strategien und Zukunftsperspektiven
Die Modeindustrie wächst in einem beispiellosen Tempo. Seit den 1990er Jahren haben sich die Materialproduktion und die damit verbundenen Emissionen um 185% erhöht. Der weltweite Verbrauch wird voraussichtlich um 63% steigen, und der Umsatz mit Kleidung könnte sich bis 2050 verdreifachen (im Vergleich zu 2023). Allein durch den Kauf von Kleidung in der EU wurden 2020 121 Millionen Tonnen CO2e verursacht. Um das rechtlich verbindliche Net Zero Ziel der EU bis 2050 zu erreichen, muss die Industrie seine Emissionen schnell reduzieren.
Den größten Anteil nehmen Materialien und die Verarbeitung von Rohstoffen, die für etwa 68% der Scope 3 Emissionen von Modeunternehmen verantwortlich sind. Fast Fashion und globale Lieferketten sind die Ursache für Überproduktion, Abfall und transportbedingte Emissionen. Doch der regulatorische Druck steigt, und neue Gesetze zur Nachhaltigkeitsberichterstattung fokussieren sich auf die Auswirkungen von Fast Fashion. Initiativen wie das Apparel Impact Institute identifizieren und skalieren Lösungen zur Emissionsreduktion, während eine kleine, aber wachsende Gruppe bewusster Verbraucher:innen und verantwortungsbewusster Marken die Industrie verändert.
Herausforderungen bei der Emissionsreduktion
Die Herausforderungen der Emissionsreduktion lassen sich in drei Kategorien einteilen: 1) Verbraucherverhalten, 2) Komplexität der Lieferkette und 3) finanzielle sowie technologische Barrieren.
Ohne eine stärkere Fokussierung auf die Veränderung des Verbraucherverhaltens werden die Bemühungen zur Emissionsreduktion weiterhin gegen die Ausbreitung von Fast Fashion ankämpfen müssen.
Die Komplexität der Lieferketten und globalisierte Lieferketten erschweren die Umsetzung einheitlicher Nachhaltigkeitsvorschriften. Kurzfristige, opportunistische Verträge mit Lieferanten und die mangelnde Bereitschaft, langfristige, kollaborative Beziehungen aufzubauen, behindern den Fortschritt zu Net Zero.
Emissionsreduktionen erfordern großflächig neue Technologien und Infrastrukturen, um den Übergang zu einer CO2e-armen Produktion zu unterstützen, wie den Ersatz von Kohle in Produktionsstätten. Es gibt zwar bereits Technologien zum Recycling und Upcycling von Fasern, aber es bedarf weiterer Entwicklung und Investitionen.
Strategien und Lösungen
Viele Marken haben Schwierigkeiten, ihre Ziele zu erreichen. Die Identifizierung der Risiken und Chancen des Klimawandels ermöglicht es Organisationen, langfristige Prioritäten zu bestimmen und die Auswirkungen auf die Unternehmensleistung zu zeigen. Das Verständnis von Emissionsquellen und Interventionsbereichen kann Organisationen helfen, ihren Übergang zu Net Zero zu gestalten.
Zentrale Handlungsbereiche
Optimierung von Lieferkettenbeziehungen
Langfristige Beziehungen zu Lieferanten und die Abkehr von rein kommerziellen Praktiken sind entscheidend, um die Resilienz in Lieferketten der Modeindustrie zu erhöhen. Maßnahmen zur Emissionsreduktion in der Rohstoffproduktion und -verarbeitung umfassen die Nutzung erneuerbarer Energiequellen (insbesondere in Ländern, in denen der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen schwieriger ist) und Investitionen in Energieeffizienzmaßnahmen. Höhere Energieeffizienz und der Übergang zu erneuerbaren Energiequellen könnten bis 2030 eine Milliarde Tonnen CO2e in der gesamten Wertschöpfungskette der Modeindustrie einsparen.
Nachhaltige Materialien
Marken sollten in nachhaltige Rohstoffe wie Bio-Baumwolle und recyceltes Polyester investieren und auf wasserloses Färben und Digitaldruck umstellen. Emissionsarme Maßnahmen sollten mit anderen nachhaltigen Strategien wie Landnutzung, Tierschutz und dem Wohl von Arbeitnehmer:innen abgestimmt werden. Zudem gibt es die Möglichkeit, mit innovativen Materialien der nächsten Generation wie biobasierten und abfallbasierten Stoffen zu arbeiten.
Kreislaufwirtschaft
Kreislaufwirtschaftsmodelle sind entscheidend, um auch Emissionen am Lebenszyklusende zu reduzieren. Marken müssen Produkte für eine lange Lebensdauer entwerfen, Reparatur und Wiederverwendung fördern und Recyclingprogramme entwickeln. Dieser Ansatz minimiert Abfall und maximiert Ressourceneffizienz. Carbon Trust unterstützte Dr. Martens dabei, die CO2e-Auswirkungen eines speziellen Reparatur- und Wiederverkaufsmodells zu verstehen und untersuchte, inwieweit ein Wiederverkaufsmodell Dr. Martens Emissionen im Einklang mit ihren Wachstumsprognosen reduzieren könnte.
Digitalisierung
Die Digitalisierung revolutioniert die Modeindustrie, indem sie ein besseres Bestandsmanagement ermöglicht und die Produktion auf Abruf erleichtert. Durch die Nutzung von Echtzeitdaten zu Kundenbedürfnissen und -trends können Marken den Lagerbestand präzise prognostizieren, Überbestände reduzieren und Abfall minimieren.
Zusammenarbeit und Partnerschaften
Zusammenarbeit ist entscheidend, um Net Zero zu erreichen. Deutsche Modeunternehmen kooperieren mit Industriebeteiligten, NGOs und Regierungen, um Wissen, Ressourcen und bewährte Verfahren auszutauschen. Initiativen wie der European Fashion Pact, die Deutsche Nachhaltige Textilinitiative und Cascale sind Beispiele für diese Art von Kollaboration.
Finanzielle Investitionen
Forschung zeigt, dass schätzungsweise 1 Billion US-Dollar erforderlich sind, um die Emissionsreduktion der Modeindustrie bis 2050 zu finanzieren. Nachhaltige Finanzierung ist von entscheidender Bedeutung, und Unternehmen, die diese nutzen, übertreffen ihre Mitbewerber:innen sowohl in Bezug auf die Umweltwirkung als auch auf die finanzielle Resilienz. Adidas beispielsweise strebt an, bis 2024 100% recyceltes Polyester in allen Produkten zu verwenden und seine betrieblichen Emissionen durch nachhaltige Finanzierung zu reduzieren.
Fazit
Lieferketten in klimaanfälligen Regionen riskieren Betriebsunterbrechungen, finanziellen Verlusten und Schäden für die Arbeitnehmer:innen, wenn keine Maßnahmen ergriffen werden. Net Zero bietet Möglichkeiten zur Reduzierung dieser Risiken sowie zur Marktdifferenzierung, zur Steigerung des Markenwerts und zur Innovation. Die Emissionsreduktion der Modeindustrie und der Übergang von unnachhaltigem Wachstum erfordern Investitionen, Zusammenarbeit und entschlossene Maßnahmen. Industrieprogramme, Materialinnovationen und Transparenz in der Lieferkette werden den Sektor bei seinen Net Zero Zielen unterstützen und sowohl den Menschen als auch dem Planeten zugutekommen.