Es war eine schwere, jedoch eine notwendige Entscheidung, die UN-Klimakonferenz COP26 auf 2021 zu verschieben. Es war einfach angesichts der globalen Jahrhundertpandemie, die jeden Tag mehrere Tausend Tote fordert und Reisen beschränkt unmöglich, die Planung aufrecht zu erhalten, im November für zwei Wochen Tausende von Menschen zusammenzubringen.
Die britische Regierung stand zudem im Hinblick auf die beispiellose Situation im Gesundheitswesen und auf die wirtschaftliche Krise, mit der sie konfrontiert war und ist, bei der für ein erfolgreiches Ergebnis notwendigen, rechtzeitigen Mobilisierung der anderen Landesregierungen vor einer äußerst schwierigen Aufgabe.
Parallele Krisen
Man läuft zu diesem Zeitpunkt in der Pandemie sogar der Gefahr, als unsensibel zu gelten, wenn man über den Klimawandel spricht. Aus zwei Gründen ist es dennoch wichtig, darüber zu sprechen. Erstens, weil das Klima auf niemanden wartet – die Auswirkungen der anhaltenden Erwärmung (einschließlich der auf die Volksgesundheit) werden weiter zunehmen, ebenso wie die Dringlichkeit zu handeln.
Zweitens leben und erleben wir exakt Mitten in einer globalen Krise durch die tägliche Realität im Umgang mit einer Pandemie, dass wir in der Lage sind zu lernen und unsere Reaktionen entsprechend in einer parallelen globalen Krise – dem Klimawandel – umsetzen können.
Natürlich ist es noch zu früh, definitive Schlussfolgerungen zu ziehen. Eine erste Einschätzung legt jedoch nahe, dass wir von der Coronavirus-Pandemie einige Dinge lernen können:
- die Notwendigkeit für Offenheit und Transparenz;
- die Wichtigkeit zuverlässiger Daten;
- die Geschwindigkeit, mit der Menschen ihre Verhaltensweisen ändern und Industrien sich umstellen können;
- die Notwendigkeit, Einzelne und Unternehmen während dem wirtschaftlichen Umbruch zu unterstützen; und
- die Wichtigkeit einer globalen Zusammenarbeit, die durch die Unterstützung der ärmsten Länder der Welt untermauert wird, damit gewährleistet wird, dass die Lösung dauerhaft ist.
Zweifellos werden sich noch weitere Lehren abzeichnen. Die vielleicht größte Lehre aus dieser Coronavirus-Pandemie ist jedoch Erwartung. Wenn sie uns etwas gelehrt hat, dann, dass wir es uns nicht leisten können, die Wissenschaft oder Expertenurteile über die Risiken, mit denen unsere Gesellschaft konfrontiert ist, zu ignorieren oder darauf zu warten, dass Probleme auftreten, bevor man handelt.
Umgang mit Risiken
Regierungen führen seit langem Risikoregister, und das Risiko einer globalen Pandemie war eines davon – eingestuft mit einer geringen Wahrscheinlichkeit, aber mit potenziell sehr hohen Auswirkungen. Wir alle leben derzeit mit den Konsequenzen des Umgangs individueller Regierungen mit diesem Risiko.
Klimawandel ist beides – ein Risiko mit großen Auswirkungen und mit hoher Wahrscheinlichkeit. Seit 40 Jahren haben Wissenschaftler mit wachsender Überzeugung Warnungen hinsichtlich der Auswirkungen, mit denen wir konfrontiert werden ausgesprochen, die sich aufgrund eines sich durch menschliche Aktivitäten erwärmenden Planeten ergeben. Die spezielle Herausforderung beim Klimawandel besteht jedoch darin, dass es sich um eine Katastrophe in Zeitlupentempo handelt. Wenn die schlimmsten Auswirkungen spürbar werden, wird es zu spät sein. Darüber hinaus werden seine weitreichenderen Auswirkungen auf die Gesellschaft, unsere Wirtschaften, unsere Naturlandschaften und unsere Öko-Systeme im Gegensatz zu Pandemien wahrscheinlich zumindest für einige Jahrhunderte oder Jahrtausende irreversibel sein. Die Rückkehr einer Erde, wie sie einmal war, wird niemand mehr zu Lebzeiten erleben. Deshalb ist dieses Jahr so wichtig.
Erhöhung der nationale Ziele
Die Regierungen haben die entscheidende Chance, die mit dem Klimawandel verbundenen Risiken zu akzeptieren und rasch zu handeln, um diese einzudämmen. Gemäß dem Übereinkommen von Paris müssen die Regierungen bis Ende 2020 aktualisierte Nationally Determined Contributions (NDCs) (national festgelegte Beiträge) präsentieren, die besser auf die wissenschaftlichen Notwendigkeiten abgestimmt sind. Das Übereinkommen von Paris legt eindeutig fest, was das bedeutet. Mit der Unterzeichnung verpflichteten sich die Regierungen, die globale Reaktion auf den drohenden Klimawandel zu stärken, indem sie den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur deutlich unter 2 °C über dem vorindustriellen Niveau halten und ihre Bemühungen fortzusetzen, den Temperaturanstieg auf 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.
Es wird allgemein davon ausgegangen, dass die aktuellen NDCs den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur bei lediglich etwa 3 °C halten würden. Im Übereinkommen von Paris ist festgehalten, dass 'bedeutend größere Anstrengungen zur Emissionsreduzierung erforderlich sind'.
Erste Anzeichen sind jedoch nicht ermutigend. Japan und die Schweiz haben kürzlich NDCs eingereicht, die weitestgehend unverändert sind. Wir können es uns nicht leisten, dass andere Regierungen diesem Beispiel folgen. In diesem Jahr müssen alle Regierungen die Ziele ihrer nationalen Verpflichtungen den wissenschaftlichen Vorgaben anpassen.
Was steht auf dem Spiel?
Es lohnt sich, dass wir uns daran erinnern, warum es so wichtig ist, den Temperaturanstieg auf 1,5 °C zu begrenzen. Vor dem Ausbruch der Coronavirus-Pandemie dominierten rekordverdächtige Brände in Australien, Wirbelstürme in Südostasien und Überschwemmungen in Großbritannien, die Schäden für unzählige Menschen anrichteten und Häuser, Lebensgrundlagen und die Tierwelt in schrecklichen Ausmaßen zerstörten unsere Schlagzeilen.
Die globalen Durchschnittstemperaturen sind gegenüber dem vorindustriellen Niveau um etwa 1 °C gestiegen. Obwohl dem Klimawandel kein einzelnes Klimaereignis zugeschrieben werden kann, wissen wir, dass die Wahrscheinlichkeit, dass solche Ereignisse eintreten, durch ihn erheblich größer wird. Wissenschaftler sind bereits zu dem Schluss gekommen, dass der Klimawandel zum Beispiel Australiens verheerende Feuersaison, in der 18 Millionen Hektar beschädigt wurden, um mindestens 30 % wahrscheinlicher machte. Wenn das die Arten der Auswirkungen sind, die wir aktuell bei einer Erwärmung um 1 °C beobachten, erhöht eine weitere Erwärmung das Risiko erheblich.
Das Zwischenstaatliche Gremium der Vereinten Nationen für Klimaänderungen (IPCC) kommt zu dem Schluss, dass selbst ein Anstieg der globalen Erwärmung um 2 °C über dem vorindustriellen Niveau im Vergleich zu 1,5 °C die Menge der Menschen, die klimabedingten Risiken ausgesetzt wären und anfällig für Armut sind, bis 2050 um bis zu mehrere Hundert Millionen erhöhen würde.
Das ist es, was auf dem Spiel steht. Zur erfolgreichen Begrenzung des Anstiegs der globalen Durchschnittstemperatur gegenüber dem vorindustriellen Niveau auf nicht mehr als 1,5 °C, müssen laut IPCC die globalen, vom Menschen verursachten CO2-Emissionen bis 2030 um etwa 45 % im Vergleich zu den Werten von 2010 gesenkt werden und bis 2050 den Netto-Nullpunkt erreichen. Das erfordert schnelle Übergänge in einem bisher nie gekannten Ausmaß in den Bereichen Energie, Land, Verkehr, Gebäudeinfrastruktur und industrielle Systeme sowie erhebliche Maßnahmen zur Kohlendioxid-Entfernung (wie Wiederaufforstung, Kohlenstoffbindung im Boden und direkte Kohlenstoffabscheidung und -speicherung in der Luft) – getrieben von einem breiten Spektrum an Klimaschutzmaßnahmen und einer erheblichen Erhöhung der Investitionen.
Jedes Jahr zählt
Wir haben 10 Jahre, um die globalen Emissionen im Wesentlichen zu halbieren. Es zählt also jedes Jahr – angesichts der Herausforderung darf keines davon verschwendet werden – insbesondere dieses nicht.
Verständlicherweise konzentrieren sich die Regierungen auf die Eindämmung der Coronavirus-Pandemie. Die Pandemie hat jedoch erst auf die Wichtigkeit der richtigen Einschätzung und Begrenzung eines Risikos aufmerksam gemacht.
Die Regierungen müssen zur Zielerhöhung ihrer nationalen Verpflichtungen etwas Kapazitäten erübrigen und sicherstellen, dass die enormen öffentlichen Ressourcen, die sie in ihre Volkswirtschaften stecken, auch die Notwendigkeit unterstützen, die globalen Emissionen in 10 Jahren zu halbieren und dem Planeten zu helfen, im Jahr 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen.
Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, um sicherzustellen, dass die vorgeschlagenen Rettungsaktionen in Billionen-Dollar-Höhe in einer Weise strukturiert sind, dass sie die Sektoren, die sie Retten sollen verändern werden und nicht wie üblich, die Wirtschaft stützen, was lediglich dazu führt, Risiken zu erhöhen und Kosten zu steigern.
Jetzt ist ebenfalls der Zeitpunkt gekommen, einen grünen Marshallplan zu entwickeln, um sicherzustellen, dass die Entwicklungsländer dasselbe tun können. Denn weder Viren noch Emissionen respektieren Grenzen. Und wenn nicht jedes Land etwas tut, werden wir das Problem nicht gelöst bekommen.
Maßgeblich ist, dass das Coronavirus nur allzu gut gezeigt hat, dass Leugnen und Verzögern tödlich sind. Ergreifen wir also diese Gelegenheit, um zu lernen und entsprechend zu handeln.
Erste Lehren aus der Coronavirus-Pandemie für Maßnahmen gegen den Klimawandel
Offenheit und Transparenz
Bei Covid-19 haben wir erlebt, wie wichtig es ist, ehrlich und häufig über das Fortschreiten der Krankheit und darüber, was von Bürgern und Unternehmen gefordert ist, zu kommunizieren.
Die Regierungen müssen in Bezug auf den Klimawandel genauso agieren, wenn sie die Gesellschaft für die notwendigen Anstrengungen mobilisieren wollen. Sie müssen auch miteinander transparenter hinsichtlich ihrer Maßnahmen zur Bekämpfung dieser gemeinsamen Bedrohung umgehen. Maßnahmen müssen gemeldet, überwacht und verifiziert werden. Unternehmen müssen ihren Investoren und Kunden gegenüber ebenfalls transparent darlegen, welchen Risiken sie ausgesetzt sind, welche Maßnahmen sie ergreifen und welche Chancen sie haben.
Zuverlässige, zugängliche Daten
Die Zugriffsmöglichkeit auf Daten – beispielsweise von Tests, Nachverfolgung und Behandlung – ist für die weltweiten Bemühungen zur Eindämmung der Pandemie unabdingbar. Die Zugriffsmöglichkeit auf zuverlässige Daten – auf Länder-, Unternehmens-, Haushalts- und sogar Produktebene – ist ebenfalls für eine erfolgreiche Bekämpfung des Klimawandels notwendig, um fundierte Entscheidungen zu treffen und Maßnahmen zu priorisieren.
Tempo der Veränderung
Eine wirksame Bekämpfung des Klimawandels erfordert große Veränderungen in Bezug darauf, wie wir Energie produzieren und nutzen, reisen, essen und unser Leben leben. Bisher wurde angenommen, dass solche Veränderungen nur langsam erfolgen können. Die Pandemie hat gezeigt, dass das nicht unbedingt der Fall ist. Einige der Veränderungen, wie die Arbeit von zu Hause aus und das Ersetzen internationaler Geschäftsreisen durch Videokonferenzen, haben offensichtliche Klimavorteile, die über die Pandemie hinaus aufrechterhalten werden könnten und sollten.
Inzwischen beweist die schnelle Umorientierung bei der Produktion – weg vom Flugzeugbau und hin zur Produktion von Beatmungsgeräten oder statt Luxuskleidung die Fertigung von Krankenhauskitteln – das Potenzial von kohlenstoffintensiven Industrien, sich ebenfalls schnell umzuorientieren und Fähigkeiten, wie beispielsweise solche für Offshore-Erdölerschließungen zum Bau von Offshore-Windparks zu nutzen.
Umstellungsunterstützung
Regierungen auf der ganzen Welt bieten Unternehmen und Einzelpersonen, die von der Pandemie besonders betroffen sind, finanzielle Unterstützungen in Billionenhöhe. Der Übergang zu einer Netto-Null-Wirtschaft wird enorme Chancen schaffen. Er wird dennoch auch herausfordernde Auswirkungen auf einige Branchen haben. Die aktuelle Krise verdeutlicht, wie wichtig ein gerechter Übergang für die betroffenen Sektoren ist, damit die von ihnen beschäftigten Arbeitskräfte während der Umbruchphase unterstützt und erfolgreich daraus hervorgehen werden.
Globale Zusammenarbeit
Globale Zusammenarbeit glänzt bei der aktuellen globalen Gesundheitskrise durch Abwesenheit. Wenn sich das nicht ändert und die ärmsten Länder der Welt bei der Eindämmung nicht unterstützt werden, wird die Bedrohung, die das Virus darstellt, immer gegenwärtig bleiben, egal wo wir leben. Beim Klimawandel ist das nicht anders. Es ist überaus wichtig, dass die Regierungen jede Gelegenheit zur Koordinierung von Maßnahmen nutzen und Entwicklungsländer multilateral unterstützen. In der Vergangenheit machten Regierungen Zusagen (wie die Verpflichtung, den Entwicklungsländern bis 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar für Klimafinanzierung zur Verfügung zu stellen). Diese Zusagen müssen eingehalten und globale Maßnahmen verstärkt werden.