Als bekannt wurde, dass die COP28 in einem Erdölstaat mit einem Öl- und Gaskonzern-Chef an der Spitze stattfinden würde, gab es große Befürchtungen, dass die Klimaverhandlungen durch die Interessen der Lobby für fossile Brennstoffe beeinträchtigt werden würden. Es wurde von einer Missachtung wissenschaftlicher Erkenntnisse und einem falschen Optimismus hinsichtlich der Rolle von Technologien zur CO2-A bscheidung und -Speicherung ausgegangen.
Allerdings war vom ersten Tag in Dubai an deutlich, dass Viele die COP28 als Wendepunkt sahen, um das Zeitalter der fossilen Brennstoffe zu beenden. In vielerlei Hinsicht wurde dieses Ziel gerade deshalb mit größerer Entschlossenheit verfolgt, da der Ort, an dem sie stattfand, und die Personen, die den Kongress leiteten, eine sinnbildliche Rolle spielten. In einer früheren Analyse des Erfolgspotenzials der COP28 teilten wir die Ansicht, dass COP28-Präsident Al Jaber die Gelegenheit nutzen musste, um mit seinen Öl- und Gaspartnern ein „Klima-Jiu-Jitsu” zu vollbringen und fünf Schlüsselfaktoren für den Erfolg zu liefern.
Hat die COP28 nach zwei Wochen intensiver Verhandlungen diese und andere wichtige Maßnahmen umsetzen können?
Endlich eine Warnung für fossile Brennstoffe
Was erforderlich war: Eine Verpflichtung zum schrittweisen Ausstieg aus allen fossilen Brennstoffen, u.a. durch eine Reform der staatlichen Unternehmen für fossile Brennstoffe, wobei eine eingeschränkte Rolle der Technologien zur CO2-Abscheidung und -Speicherung zur Emissionsminderung innerhalb des Energiesektors aktiv anerkannt wird.
BEWERTUNG DES FORTSCHRITTS: 6/10
Der Höhepunkt des „VAE-Konsenses” war der Aufruf einen angemessenen Übergang zur Abkehr von fossilen Brennstoffen zu schaffen. Es gibt drei wesentliche Gründe, diese Verpflichtung hoffnungsvoll zu sehen:
- Zum ersten Mal in einem Beschluss der COP (nach 28 Jahren) wird die Notwendigkeit der Abkehr von allen fossilen Brennstoffen (nicht nur Kohle) angesprochen.
- Sie konzentriert sich auf die Brennstoffe selbst und nicht auf die damit verbundenen Emissionen. Letzteres wäre der Fall gewesen, wenn die Formulierung über „unverminderte fossile Brennstoffe” aus früheren Entwürfen beibehalten worden wäre (ein Ausdruck für den umfassenden Einsatz von Technologien zur Kohlenstoffabscheidung und -speicherung).
- Sie verdeutlicht die Notwendigkeit eines dringenden Übergangs „in diesem kritischen Jahrzehnt” und übt Druck auf die Parteien aus, die Produktion und den Verbrauch fossiler Brennstoffe so schnell wie möglich einzustellen.
Die Verpflichtungserklärung ist jedoch bei weitem noch nicht optimal. Sie „fordert“ Regierungen lediglich dazu auf, den Übergang zu vollziehen, anstatt sie dazu zu verpflichten. Die „Abkehr” ist auch wesentlich unkonkreter als der „schnelle, faire, vollständige und finanzierte” Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen, den NGOs und viele Regierungen, insbesondere die kleiner Inselstaaten, forderten.
In Bezug auf Kohle fordert der Beschluss lediglich einen „schrittweisen Ausstieg aus der Kohleverbrennung”. Damit bleibt eine potenziell große und weitgehend unrealistische Abhängigkeit von der Nutzung von Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS) zur Reduzierung der Kohleemissionen bestehen. Im weiteren Verlauf des Beschlusses wird auch die Rolle der „Übergangsbrennstoffe” zur Förderung der Energiewende „anerkannt”, was allgemein als Verweis auf Erdgas aufgefasst wird.
Es ist zu befürchten, dass diese „Schlupflöcher” den VAE-Konsens daran hindern werden, tatsächliche Maßnahmen voranzutreiben. Dies wurde unmittelbar nach der COP28 bestätigt, als Al Jaber selbst verkündete , dass die Abu Dhabi National Oil Company weiterhin in die Öl- und Gasförderung investieren. Dies bestätigt, was viele befürchten: dass die Ölgesellschaften, insbesondere nationale, immer noch darauf abzielen, den Wert ihrer fossilen Brennstoffe zu maximieren und als letzte auf dem Markt zu bestehen.
Nationale Klimaversprechen wurden nicht verbessert
Was erforderlich war: Eine Vereinbarung zur Neuvorlage national festgelegter Klimaschutzbeiträge (Nationally Determined Contributions, NDCs) mit verschärften Zielen für 2030 und 2035, die darauf abzielen die globale Erwärmung auf 1,5-Grad über den vorindustriellen Temperaturen zu begrenzen.
BEWERTUNG DES FORTSCHRITTS: 3/10
Wie der COP-Präsident, Sultan Al Jaber, selbst feststellte, „ist ein Abkommen nur so gut wie dessen Umsetzung”, und in diesem Punkt gibt es Anlass zur Besorgnis. Die NDCs sind der entscheidende Mechanismus zur Umsetzung des Pariser Abkommens. In den NDCs sind nationale Ziele und Strategien verankert, um Transformationen vor Ort voranzutreiben, aber es fehlten Zusagen für ehrgeizigere NDCs.
Nur 38 Länder haben im Vorfeld der COP28 überarbeitete NDCs vorgelegt, und nur wenige enthielten das erforderliche Engagement, um die Emissionen bis 2030 ungefähr zu halbieren. Mit seinem eigenen NDC verpflichtet sich der COP28-Gastgeber lediglich zu einer Emissionsreduzierung von 19% bis 2030 (ausgehend vom Basisjahr 2019),1 obwohl der VAE-Konsens vorsieht, dass die globalen Emissionen in diesem Jahrzehnt um 43% sinken müssen.
Bei all der Aufregung um die Formulierung zu fossilen Brennstoffen wurde das eigentliche Instrument, das diesen diplomatischen Beschluss in die reale Welt der CO2 Reduzierung umsetzen könnte, vernachlässigt. Seit langem ist bekannt, dass die NDCs derzeit nicht in der Lage sind, die erforderlichen Emissionsreduzierungen zu erreichen. Trotz dessen bietet der endgültige Beschluss nur wenig Aussagen hinsichtlich klarer Rechenschaftspflichten oder einen Unterstützungsrahmen zur Lösung dieses Problems.
Auch hier endete die COP mit einer „Aufforderung”, die Ziele für 2030 zu überdenken und zu verstärken. Jedoch einen Plan, wie sichergestellt werden kann, dass die Ziele festgelegt oder, in politische Maßnahmen umgesetzt werden, die die Emissionslücke schließen, fehlt.
Erneuerbare Energien und Energieeffizienz auf dem Vormarsch
Was erforderlich war: Eine Verpflichtung, die weltweite Kapazität erneuerbarer Energien bis 2030 zu verdreifachen.
BEWERTUNG DES FORTSCHRITTS: 6/10
Auf der COP28 wurde eine ehrgeizige Vereinbarung getroffen, die Kapazität für erneuerbare Energien zu verdreifachen und die Energieeffizienz bis 2030 zu verdoppeln. Diese Vereinbarung wird jedoch dadurch beeinträchtigt, dass kein Basisjahr angegeben ist, ab dem ein etwaiger Anstieg gemessen werden sollte, was wiederum großen Spielraum für Interpretationen lässt. Kritisch anzumerken ist auch, dass es am entsprechenden finanziellen Engagement zur Unterstützung von Entwicklungsländern mangelt.
Die Zusatzvereinbarung zwischen 118 Ländern, die zu Beginn der COP geschlossen wurde, versprach eine Verdreifachung der erneuerbaren Energien und könnte dazu beitragen, die erforderlichen enormen Investitionssummen zu mobilisieren. Es ist vielversprechend, dass darin konkretere Ziele enthalten sind, die auf 11.000 GW erneuerbare Kapazität und jährliche Verbesserungen der Energieeffizienz von über 4% gemäß den anerkannten Net Zero Strategien abzielen. Doch ohne eine klare finanzielle Einigung im Hauptverhandlungstext mangelt es den aktuellen Verpflichtungen an Glaubwürdigkeit.
Darüber hinaus ist es dem VAE-Konsens nicht gelungen, ineffiziente Subventionen abzuschaffen, die es den erneuerbaren Energien weiterhin schwer machen, mit fossilen Brennstoffen zu konkurrieren.
Klimafonds auf dem Vorsprung
Was erforderlich war: Ein abgestimmtes Modell für Verlust- und Schadensfonds mit eindeutigen Angaben zur Förderfähigkeit, zu den Finanzierungsregelungen und zu den Verwaltungsstrukturen.
BEWERTUNG DES FORTSCHRITTS: 6/10
Die COP28 begann mit einer bedeutsamen Vereinbarung zur Einrichtung eines Verlust- und Schadensfonds zur Unterstützung von Ländern des Globalen Süden. Insbesondere denen, die am stärksten von den negativen Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind. Nach angespannten Verhandlungen kurz vor Beginn der COP einigte man sich auf den Vorschlag, den Fonds für einen Zeitraum von zunächst vier Jahren bei der Weltbank anzulegen. Er wurde dann zu Beginn der Konferenz zusammen mit dem Rest der Verhandlungsagenda zügig durchgewunken.
Die Zusagen zu den neuen Fonds kamen aus Ländern wie dem Vereinigten Königreich, Kanada und Deutschland, aber sie erreichten nicht annähernd die Summe, welche benötig wird, um gefährdete Länder für die Auswirkungen des Klimawandels zu entschädigen. Die geringe Finanzierungszusage der USA in Höhe von 17,5 Millionen US-Dollar spiegelt die Pattsituation des Kongresses in Sachen Klimaschutz wider. Auch wird der offensichtliche Widerspruch deutlich, den Grundsatz zu akzeptieren, dass Industrieländer dafür verantwortlich sein sollten, andere Länder dabei zu unterstützen, sich von den klimabezogenen Verlusten und Schäden zu erholen, die sie mitverursacht haben.
Abgesehen von dem Beitrag der VAE von 100 Milliarden Dollar zum neuen Fonds fehlten Beiträge anderer Erdölstaaten oder weiterer Länder mit hohen Emissionen wie beispielsweise China.
Klimafinanzierung bleibt ein Hindernis für globales Handeln
Was erforderlich war: Die Einhaltung der von den Industrieländern zugesagten 100 Milliarden US Dollar für die Klimafinanzierung in den Ländern des Globalen Südens bereitzustellen. Deutliche Fortschritte bei der kollektiven Vereinbarung des neuen quantifizierten Ziels für die Klimafinanzierung vor Ablauf der Frist von 2024. Verdoppelung des Ziels für die Anpassungsfinanzierung und Schritte zur Reformierung des globalen Finanzsystems.
BEWERTUNG DES FORTSCHRITTS: 4/10
Die unzureichende internationale Klimafinanzierung gefährdet weiterhin den globalen Fortschritt in Richtung Net Zero. Es ist fraglich, ob die seit langem erwarteten 100 Milliarden US Dollar pro Jahr für die Klimafinanzierung erreicht wurden. OECD-Daten deuten darauf hin, dass dies im Jahr 2022 erreicht wurde. Andere Quellen widersprechen dem jedoch mit der Begründung, dass Darlehen nicht vollständig mit einberechnet werden sollten. Der endgültige COP28-Verhandlungstext enthält eine ausdrückliche Verpflichtung der Länder, jenes Ziel zu erreichen. Eine Reihe von Finanzzusagen an den Green Climate Fund deutet darauf hin, dass hierbei einige Fortschritte erzielt wurden.
100 Milliarden Dollar sind jedoch ein Tropfen auf dem heißen Stein im Vergleich zu dem Betrag der Klimafinanzierung, den die betroffenen Länder tatsächlich benötigen. Im Beschluss wird der tatsächliche Bedarf auf 215-387 Milliarden US-Dollar pro Jahr bis 2030 geschätzt. Die Verhandlungen über das neue kollektive Ziel für die Klimafinanzierung endeten mit geringen Erfolgen. Lediglich die Übereinkunft über die Erarbeitung eines Entwurfs für einen Beschlusstext noch vor der COP29, bei welcher die Finanzierung der zentrale Punkt sein wird, wurde erreicht.
Was die Anpassungsfinanzierung betrifft, so zeigt der endgültige Beschluss große Mängel auf. Darin wird lediglich der Bedarf an Anpassungsfinanzierung bestätigt und die Länder aufgefordert, transparenter über Finanzierungsmittel zu berichten. Ein Entwurf für einen verbindlicherer Beschluss, in dem gefordert wird, dass die Vertragsparteien der Länder des Globalen Nordens den Parteien der Länder des Globalen Südens langfristige, umfangreiche, berechenbare, neue wie auch zusätzliche Finanzmittel, Technologien und Kapazitätsaufbau zur Verfügung stellen, wurde gestrichen.
Was die Reform des internationalen Finanzsystems anbelangt, so ist der VAE-Konsens der erste Vertragstext auf der COP, in dem die Besteuerung als Methode zur Beschaffung von Klimafinanzierungsmitteln erwähnt wird. Ein weiteres vielversprechendes Ergebnis ist die von 13 Ländern unterstützte Erklärung von Staats- und Regierungschef:innen zu einer globalen Klimafinanzierung. Diese legt einen Zehn-Punkte-Plan fest für die Schaffung eines reformierten Finanzsystems, durch eine verstärkte Nutzung von klimaresistenten Schuldenklauseln, der Berücksichtigung von „Debt-for-Climate-Swaps“ sowie nachhaltigkeitsbezogenen Anleihen.
Einige diesbezügliche Maßnahmen befinden sich bereit in der Umsetzung. Das Vereinigte Königreich, Frankreich, die Weltbank und mehrere andere multilaterale Entwicklungsbanken haben sich verpflichtet, verstärkt auf klimaresistente Schuldenklauseln zurückzugreifen. Unterdessen verpflichteten sich sowohl Japan als auch Frankreich, die Asiatische Entwicklungsbank bei der Nutzung von Sonderzugangsrechte für Klima und Entwicklung zu unterstützen. Diese Verpflichtungen tragen dazu bei, die Vision der Premierministerin von Barbados, Mia Mottley, für ein reformiertes Finanzsystem zu verwirklichen.
COP28 erweist sich eher als eine Weggabelung, als ein direkter Weg
Der COP28-Präsident beendete die Konferenz mit den Worten: „Gemeinsam haben wir uns den Realitäten gestellt und die Welt in die richtige Richtung gelenkt.” Die Realität sieht jedoch so aus, dass die COP28 zwei divergierende Wege bietet, die von einer unterschiedlichen Interpretation der Konferenzergebnisse abhängen.
Einerseits ist die Vereinbarung zur Abkehr von fossilen Brennstoffen ein starkes Signal an Unternehmen und Investoren, für die Notwendigkeit, das Zeitalter der fossilen Brennstoffe zu beenden. Andererseits lassen die Schlupflöcher im Bereich der Übergangsbrennstoffe und der Kohlenstoffabscheidung und -speicherung. Auch das anhaltende Versagen, die Lücken bei den nationalen Zusagen und der internationalen Klimafinanzierung zu schließen, bietet Raum die Klimakrise zu verschärfen.
Folglich hat der VAE-Konsens enormes symbolisches Potenzial. Allerdings kommt ein diplomatischer Beschluss noch nicht tatsächlichen Reduzierung von Emissionen gleich. Nun kommt es darauf an, welche Richtung nationale Regierungen, Wirtschaftsführungen und Finanzakteur:innen einschlagen. Entweder den Weg in eine sauberere, sicherere und nachhaltigere Zukunft oder den altbekannten Weg in Richtung stetig steigender Emissionen, Energieunsicherheit und bedrohlicher Auswirkungen auf Leben, Lebensgrundlagen und Natur.
Die COP28 könnte in positiver Erinnerung bleiben, weil sie die Welt auf den erstgenannten Weg gebracht hat. Der entscheidende Beweis dafür wird allerdings die Entschlossenheit von Staats- und Regierungschef:innen sein, bis 2030 bedeutende Veränderungen voranzutreiben.
Letztlich wird die Abkehr von fossilen Brennstoffen nur gelingen, wenn es Regierungen und weitere Akteur:innen schaffen, die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen zu reduzieren und zu letztendlich zu eliminieren, indem sauberere Alternativen Vorzug gewähren.