Chemikalien und Klima: Anpassung an den Entwurf des SBTi-Leitfadens

Die Verwendung fossiler Rohstoffe, der hohe Energieverbrauch und die Verflechtung in zahlreiche Industriezweige machen die chemische Industrie zu der Branche mit dem drittgrößten CO2-Ausstoß.

Die SBTi hat nun sektorspezifische Leitfäden für diese Schlüsselindustrie herausgegeben. Ziel ist es, die Emissionen in der gesamten Branche zu reduzieren. Eine zweite öffentliche Konsultation läuft derzeit bis zum 10. Januar 2025 und fordert betroffene Unternehmen auf, Feedback zu geben, bevor Anträge für die Umsetzung der neuen Leitlinien gestellt werden können.

Da der Abbau der Treibhausgase generell als herausfordernd gilt, sieht der Entwurf sektorspezifische Kriterien und Vorgaben vor. Damit sollen ehrgeizige, jedoch realistische Ziele für Chemieunternehmen definiert werden. Obwohl die Pilotphase noch nicht abgeschlossen ist, kann Ihr Unternehmen bereits jetzt die Auswirkungen der vorgeschlagenen Leitlinien einschätzen und mit der Umsetzung der Anforderungen beginnen.

Wer ist betroffen?

Die Kriterien gelten für alle Unternehmen, die Produkte herstellen, die einen der aufgeführten Chemikalienarten zuzuordnen sind.

 

 

 

 

Kernelemente

Wenn Sie den vorgeschlagenen Leitfaden befolgen wollen, müssen Sie eventuell Ihre derzeitige Emissionsinventur und Ihre Klimaschutzstrategie anpassen, um die sektorspezifischen Ziele der SBTi zu erreichen.

Scope 1 und 2 Emissionen

Emissionen von abgeschiedenem CO2: Abgeschiedenes CO2, das als Produkt verkauft wird, wird vom Emittenten (Verkäufer) unter „Gebrauch der verkauften Produkte“ (Scope 3, Kategorie 11) erfasst. Die mit dem Abscheideprozess verbundenen Emissionen werden unter Scope 2 erfasst.

Lachgas-Emissionen: Hersteller von Salpetersäure, deren Lachgas-Emissionen unter Scope 1 fallen, müssen die durchschnittliche N2O-Emissionsintensität in kg N2O/Tonne Salpetersäure berechnen.

Entstehen Lachgas-Emissionen durch den Gebrauch eines verkauften Produkts wie Stickstoffdünger (z.B. Ammoniumnitrat und Harnstoff), muss der Verkäufer ein separates Emissionsreduktionsziel haben.

Scope 3 Emissionen

Gebrauch und Entsorgung verkaufter Produkte (Kategorien 11 und 12): Die SBTi erwartet, dass Unternehmen die Emissionen abschätzen, die während der Nutzung und am Ende des Lebenszyklus ihrer Produkte entstehen, seien es Arzneimittel, Lebensmittelzusatzstoffe oder Körperpflegeprodukte. Die SBTi empfiehlt Unternehmen, nachgelagerte Aktivitäten entlang der Wertschöpfungskette zu erfassen, um genauere Schätzungen der Klimabilanzierung zu erhalten. Zusätzlich sollten Emissionen von Produkten berücksichtigt werden, die in Abwassersysteme gelangen, deponiert oder nach der Entsorgung verbrannt werden.

Zwischenprodukte (Kategorie 10): Unternehmen, die Zwischenprodukte herstellen und verkaufen, müssen über Emissionen aus der Weiterverarbeitung berichten, auch wenn die genaue Endverwendung nicht bekannt ist. So verkauft z.B. ein Hersteller Phenol an ein Unternehmen, das das Produkt zur Erzeugung von Bisphenol verwendet, das wiederum an einen Verpackungshersteller verkauft wird, der das Bisphenol zur Fertigung von Plastikflaschen verwendet. Der ursprüngliche Verkäufer des Phenols wäre verpflichtet, die Prozessemissionen aus jeder der folgenden nachgelagerten Produktionsstufen zu berichten.

Die SBTi empfiehlt die Verwendung von Primärdaten, um ein genaues Bild der Emissionen zu erhalten. Dazu müssen Chemieunternehmen enger mit ihren Lieferanten und Abnehmern zusammenarbeiten.

Recycling-Prozesse: Um die Kreislaufwirtschaft zu fördern, erwartet die SBTi von den Unternehmen, dass sie die Emissionen aus Recyclingprozessen wie der Pyrolyse berücksichtigen. Sie sollen prüfen, inwieweit Emissionen durch die Umstellung von Neuware auf Recyclingmaterial und die Vermeidung von Deponiemüll reduziert werden können.

„Carbon Capture and Utilisation“ (CCU): Der Verkäufer des aus Abgasen abgeschiedenen CO₂ muss die Emissionen aus CCU-Prozessen unter „Gebrauch verkaufter Produkte“ (Kategorie 11) erfassen. Der Käufer hingegen erfasst diese Emissionen unter „Eingekaufte Güter und Dienstleistungen“ (Kategorie 1).

Biogene Rohstoffe: Unternehmen, die biogene Rohstoffe verwenden, müssen sowohl die biogenen als auch die nicht-biogenen Treibhausgasemissionen berücksichtigen. Dazu gehören Emissionen aus Landnutzungsänderungen, aus dem Landmanagement und aus der Umwandlung von Biomasse in nutzbare Produkte. Darüber hinaus darf kein biogenes Material aus entwaldeten Gebieten stammen, was mit ähnlichen Anforderungen aus dem SBTi Leitfaden für Forstwirtschaft, Landnutzung und Landwirtschaft (FLAG) übereinstimmt.

Sektorspezifische Reduktionspfade

Der Leitfaden enthält spezifische Pfade zur Emissionsreduktion für Primärchemikalien wie Ammoniak und Methanol sowie für hochwertige Chemikalien wie Ethylen, Propylen, Benzol, Butadien, Acetylen und Wasserstoff. Diese Pfade berücksichtigen die spezifischen Emissionsprofile und technologischen Herausforderungen der einzelnen Chemikalien.

Wo anzufangen ist

Beurteilen Sie zunächst, ob der Leitfaden für Ihr Unternehmen relevant ist und ob sektorspezifische Ziele festgelegt werden müssen. Auch wenn es sich noch um einen Entwurf handelt, können Sie schon jetzt sicherstellen, dass Ihr Ansatz zur THG-Bilanzierung die erforderlichen Daten liefern kann, z.B. die Berechnung der N2O-Emissionsintensität bei der Salpetersäureproduktion. Während sich die Vorgaben weiterentwickeln, kann Ihr internes Team:

  1. Beurteilen, ob Ihre bestehenden Bilanzierungsmethoden die vorgeschlagenen Anforderungen erfüllen, oder ob zusätzliche Daten erhoben werden müssen.
  2. Effiziente Prozesse für die Zusammenarbeit mit Lieferanten und Kunden festlegen, um die richtige Art und Granularität von Daten zu erhalten.
  3. Datenlücken in Bezug auf Produktions-, Lieferanten- oder Kundendaten sowie Emissionsfaktoren identifizieren.
  4. Einen Überblick über die nachgelagerten Aktivitäten Ihres Produkts und deren Emissionen erstellen.
  5. Sich überlegen, welche zusätzlichen Ziele Ihr Unternehmen sich setzen muss und welche Anforderungen damit verbunden sind.

SBTi wird in Kürze Unternehmen zur Teilnahme an einem Testlauf für die neuen Richtlinien einladen. Dies ist eine gute Möglichkeit für Ihr Unternehmen, die neuen Kriterien zum Festlegen von Klimazielen zu testen und Feedback zu geben.

Wie Carbon Trust Sie unterstützen kann

Seit 2015 berät Carbon Trust Unternehmen bei der Festlegung ihrer wissenschaftlich fundierten Ziele. Wir helfen Ihrem Unternehmen, die sektorspezifische Zielvorgaben zu erfüllen, Bilanzierungsmethoden zu verbessern und Ihre Lieferanten einzubinden. Unser Team verfügt über umfangreiches Fachwissen zur Entwicklung von CO2e-Bilanzierungen und produktspezifischen CO2e-Bilanzen, die mit dem Greenhouse Gas Protocol und den Leitfäden der Science Based Targets Initiative übereinstimmen.

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